Horrortrip Silvester? Teil 3

Medikamentöse Behandlung der Knallangst bei Hund und Katze

Es geht mir hier um die harten Fälle!
Die, die trotz allem panisch herumrennen oder nur noch kaum ansprechbar bebend, wimmernd oder schreiend in der Ecke kauern. Die sich in echter Existenzangst einnässen und einkoten. Manche verletzen sich selbst in ihrer Panik. Beissen sich die Beine blutig, greifen alles an was sich bewegt. Oder die Tiere sind wenn sie schon älter, herzkrank oder Epilepsie-Patienten sind, sogar in Lebensgefahr.

Nun stehen wir wieder mal kurz vor dem Jahreswechsel und nicht jeder mit einem Panikhund hat vorher geübt. Gründe dafür gibt es viele: Mancher hat es zu gut deutsch „verpennt“ (passiert schon mal… ) andere haben den Hund oder die Katze neu und hatten so noch gar keine Chance zu üben.
Wie auch immer, der Patient muss jetzt irgendwie Silvester überstehen.

Das leider auch immer mal wieder von einigen Tierärzten propagierte Einflößen von Alkohol in einen Hund sollte man meiner Ansicht nach hübsch bleibenlassen. Ich glaube jedem ist heute bekannt, daß eine Alkoholvergiftung ernsthafte Nebenwirkungen hat.

Wieviel Alkohol ein Hund überleben kann ist individuell unterschiedlich, aber die LD50 wird in der Literaturmit etwa 5g/kg Körpergewicht angegeben. Das bedeutet bei 5g/kg sterben die Hälfte der vergifteten Hunde. Na prima: Und wenn unser eigener Hund einer von den ganz Empfindlichen ist und schon bei z.B. 1g/kg stirbt? Erste Vergiftungserscheinungen sind natürlich schon bei viel geringeren Dosierungen da. Schon das Fressen von Hefe-/Sauerteig (Der enthält durch die Gärung auch etwas Alkohol) hat bei Hunden zu tödlichen Alkohol-Vergiftungen geführt. Der beliebte Eierlikör enthält meist etwa 20%Alkohol. Wieviel Risiko wollen Sie denn eingehen? Ich riskiere bei meinem Hund nicht üble Nebenwirkungen wie Bewusstlosigkeit, Magendrehung, zentrale Erblindung, Unterzuckerung, Unterkühlung…. Es kann gut gehen, aber auch tödlich enden. Mir ist das Risiko zu groß.

Also stehen wir mal wieder vor den verschreibungspflichtigen Beruhigungsmitteln.
Wenn Zusatzfutter wie Sedarom direkt oder Zylkene nicht reichen, so gibt es also stärkere, verschreibungspflichtige Medikamente. Die sollten wie der Ausdruck „verschreibungspflichtig“ schon sagt, vom Tierarzt für den Einzelfall verordnet werden. Das ist nichts für die Selbstmedikation.
Dabei gibt es ganz verschieden Stoffe, die genutzt werden.
Entscheidend sind Verträglichkeit und angstlösende Wirkung, nicht die Sedierung.

Das eigentliche Behandlungsziel sollte nämlich nicht sein, daß der Patient Silvester bedröhnt verschläft und dann nächstes Jahr wieder genauso Angst hat wenn das Geböller los geht! Ziel ist vielmehr, daß der Patient sich nicht so fürchtet und merkt, daß tatsächlich gar nichts Böses passiert. Und so hoffentlich mit der Zeit seine Angst wieder verlernt.
Welcher Angstlöser in welcher Dosierung für welchen Patienten passt, entscheidet der Tierarzt im Einzelfall.

Seit einiger Zeit wird überall gewarnt vor „schrecklichen Beruhigungsmitteln“. Gemeint ist das Acepromazin (Sedalin, Vetranquil….). Ein schon altbekanntes Beruhigungsmittel für Tiere, von dem seit einiger Zeit ganze Horrorgeschichten erzählt werden. Den Patienten würden die Muskeln „gelähmt“, sie könnten sich nicht mehr bewegen und müssten in ihrer Angst steckend bewegungslos verharren.
Gut gemeinte Warnungen, aber so nicht ganz richtig.
Wenn der Tierarzt medizinisch korrekt dosiert ist Acepromazin sedierend und auch leicht muskelentspannend (weshalb es auch manchmal bei Katzen mit Harnblasenkrämpfen und bei Tetanuspatienten eingesetzt wird). Ohne Spaß: Die können dann auch noch laufen und sind nicht völlig abgeschossen! Da ist bei korrekter Dosierung KEINER hilflos gefangen in einem bewegungsunfähigen Körper, das ist Quatsch! Die können sich erfahrungsgemäß damit auch durchaus noch prima wehren und den Tierarzt beißen oder schlagen 😉
ABER: Leider ist die im Beipackzettel gegebene Dosierungsangabe für Acepromazin meist viel zu hoch. Irre zu hoch. Für einen Windhund kann sie sogar tödlich enden.
Warum die bekloppte, gefährliche Dosierungsangabe nicht geändert wird? Vermutlich weil das ein teurer amtlicher Vorgang wäre, den keiner bezahlen will? Das Medikament darf ja auch nur vom Tierarzt verordnet werden. Also bleibt die Verantwortung beim Tierarzt, der dem Tierbesitzer dann sagen sollte was der Patient nun tatsächlich bekommen sollte. Gefährlich wird es deshalb für das arme Tier, dessen Besitzer meint es besser zu wissen und sich das Medikament illegal aus dem Internet beschafft.

Wer verschreibungspflichtige Medikamente illegal aus dem Internet bestellt, der riskiert eben das Leben.

„Verschreibungspflichtig“ heißt grundsätzlich, daß etwas nur auf Anraten und nach Anweisung eines Arztes genommen werden darf. Das hat schon seinen Grund, wenn etwas wie Acepromazin nicht freiverkäuflich ist.
Trotz allem, selbst ein banales Beruhigungsmittel wie das olle Acepromazin, daß das Ganze nur unter Dämpfung vorüberziehen läßt, ist mir noch lieber als ein Patient der in seiner Panik sich selbst und andere verletzt.

Aber warum wollen wir nicht lieber etwas Besseres machen? Mit echtem Therapieeffekt, damit der Patient nächstes Mal weniger oder keine Angst hat?

Der wirkliche Grund warum Acepromazin nun tatsächlich nicht zur Therapie der Knallangst gegeben werden sollte: Es gibt schlicht bessere Mittel zur Behandlung der Knallangst!

Es gibt inzwischen ein für die Behandlung der Knallangst beim Hund zugelassenes Medikament namens Sileo. Das ist ein Gel, daß in die Backentasche geschmiert und über die Maulschleimhaut aufgenommen wird (abgeschluckt wirkt es nicht). Bitte sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt, nur der behandelnde Arzt kann sagen ob das Mittel für Ihren eigenen Hund geeignet und sicher ist.

In manchen Fällen ist es auch besser auf bestimmte andere Medikamente wie beispielsweise Diazepam, Alprazolam oder das Antiepileptikum Imepitoin zurückzugreifen. Mit gutem Grund sind alle diese Mittel verschreibungspflichtig, Denn im Gegensatz zu harmlosen Futterzusätzen wie Zylkene oder Sedarom direkt sind diese Mittel eben nicht für jeden Patienten ungefährlich.

Experimentieren Sie bitte nicht selbst mit Medikamenten an Ihrem Tier herum: Wir sind doch alle gegen Tierversuche, oder?

Besprechen Sie das Problem bitte rechtzeitig mit Ihrem Haustierarzt, damit er gezielt therapieren und das passende Mittel für Ihr Tier auswählen kann. Dabei wägt er auch eventuelle Vorerkrankungen oder Rassebesonderheiten ihres Tieres ab.

Und immer daran denken: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel…Silvester kommt wie Weihnachten immer wieder überraschend ganz urplötzlich am Ende des Jahres 😉

Kommen Sie gut rüber!